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Aus dem Alltag der Erwerbung in der Library AAC - Lib AAC
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Aus dem Alltag der Erwerbung in der Library AAC

Fernleih-Boxen in der SUB Göttingen

Bücher unterwegs: Fernleih-Boxen in der SUB Göttingen. Photo: Martin Liebetruth CC BY 4.0

Wenn Bibliothekare ihre Sammlungen präsentieren, so sind es zumeist Cimelien oder mittlerweile auch gerne digitalisierte Sammlungen, auf alle Fälle aber aus dem Durchschnitt der wissenschaftlichen Sekundärliteratur herausfallende Stücke und Projekte, die vorgezeigt werden. Der Alltag der Arbeit für einen geisteswissenschaftlichen Fachinformationsdienst (FID) besteht aber - immer noch - vor allem auch aus der Sichtung der Masse der aktuellen Veröffentlichungen des einschlägigen Publikationsmarktes. Darunter sind dann Bücher wie American Organic von Robin O’Sullivan. Eine typische wissenschaftliche Monographie, die in einer mittleren amerikanischen University Press erschienen ist, gute Rezensionen erhalten hat (z.B. im Journal of American History, Bd. 103, 2017, S. 1064-1065) und - auch wenn diese Wertung natürlich sehr subjektiv ist - ein aus deutscher Sicht ausgesprochen interessantes und aktuelles Thema behandelt. USA und Öko-Landbau werden in der Regel in Deutschland nicht sofort assoziert.

Auch wenn man als Historiker das Buch interessant finden mag, so ist es nicht allein und nicht zuerst der Inhalt, den wiederum der Bibliothekar interessiert. Eine Frage, mit der man sich als FID-Bibliothekar auseinandersetzen muss, ist, wie viele andere Bibliotheken in Deutschland eigentlich das Buch ebenfalls erworben haben, da die mit Unterstützung der DFG finanzierte FID-Collection ja nur ergänzend für die spezialisierte Forschung und nicht vollständig sein soll und darf. Eine Recherche im KVK (Stand 15.2.2018) ergab, dass noch fünf andere Bibliotheken das Buch ebenfalls erworben haben. Das ist bei einer in einer University Press erschienenen, mehr oder weniger spezialisierten Monographie auch nicht weiter verwunderlich. In Berlin, Heidelberg, Köln, Mainz und Münster kann das Buch ebenfalls gelesen werden. Dass es gerade an diesen Orten zu finden ist, ist ebenfalls nicht erstaunlich, sind es doch alles Universitäten, wo es Professuren oder Sammlungsschwerpunkte zur amerikanischen Geschichte gibt. Ein genauerer Blick zeigt freilich, dass in Köln, Mainz und Münster die Bücher zu Präsenzbibliotheken gehören. Für Wissenschaftler, die an anderen Orten arbeiten, sind also nur noch - oder immerhin noch? - drei Exemplare übrig, die über die Fernleihe bestellt werden können; das des Göttinger FID’s sowie die in Berlin und Heidelberg vorhandenen.

Das Buch ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie spezialisiert mittlerweile der geisteswissenschaftliche Publikationsmarkt geworden ist; es verweist ebenso darauf, dass ausländische wissenschaftliche Monographien, so interessant ihr Thema auch sein mag, häufig nur in wenigen Exemplaren an deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken vorhanden sind. Reicht das für die Forschung in Deutschland aus? Die Frage ist schwer zu beantworten, als Bibliothekar kann man aber immerhin feststellen, dass die Fernleihe in den letzten Jahren in Deutschland sehr effizient geworden ist. In 8 bis 10 Tagen kann ein Buch nach einer Bestellung beim Leser sein, sofern natürlich nicht mehr als drei Wissenschafter gleichzeitig auf die Idee kommen, dass dieses Buch für sie interessant sein könnte. Gegenüber den Lieferfristen der 1980er oder frühen 1990er Jahre hat sich die Effizienz des Fernleihsystems also deutlich verbessert. Ein Faktor, der auch auf das Konzept eines FID zurückwirkt. Denn die Sammlung eines FID’s steht nicht mehr primär für sich selbst, sondern wird immer als Teil eines nationalen Systems gesehen. Aus Sicht der DFG, die 70% der Erwerbungskosten bei gedruckten Medien trägt, kann es auch nur darum gehen, die Forschung in Deutschland und nicht eine einzelne Sammlung zu unterstützen. Eine FID-Collection ist damit subsidiär zu sehen als eine Ergänzung zu den einschlägigen, in deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken in größerem Umfang vorhandenen Titeln. Wer die Geschichte der modernen wissenschaftlichen Bibliotheken kennt, weiß, dass das per se nichts Neues ist. Die moderne Bibliothek hat sich schon immer als Teil eines Systems gesehen. Amerikanische Bibliothekare haben bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darüber geschrieben; und der Umfang der Fernleihe in preußischen Bibliotheken wurde um 1900 von amerikanischen Bibliothekaren durchaus als Vorbild verstanden. Der FID setzt dieses Konzept nur sichtlich akzentuierter um als die frühere Sondersammelgebietsbibliothek, die noch das Paradigma der möglichst vollständigen lokalen Sammlung mit dem der überregionalen Literaturversorgung verband.

Das Beispiel des Buchs American Organic zeigt damit, wie die Sammlung der Library AAC als FID-Collection funktioniert: Sie ist Teil eines Netzwerkes, Teil einer mittlerweile gut erschlossenen Landschaft wissenschaftlicher Bibliotheken in Deutschland. Und ihr primärer Zweck ist es, aus der gesamten, internationalen Buchproduktion die Bücher zu sammeln, die voraussichtlich von den meisten anderen Bibliotheken in Deutschland nicht (mehr) gekauft werden - und über das existierende Fernleihsystem den Lesern zur Verfügung zu stellen.

Diese selektive Sammlungspraxis ist zugleich - noch stärker als früher - auch eine verteilte Aufgabe zwischen Lesern und Bibliothekaren. Die vorausschauende Erwerbung für die FID-Collection durch die Bibliothekare ist nur eine Seite; die andere Seite ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damit stärker bei der Auswahl mitwirken können als früher. Alles, was sie benötigen, was aber in Deutschland nur schwer über die Fernleihe erreichbar ist - weil die Titel zum Beispiel vor allem in Institutsbibliotheken mit Präsenzbestand vorhanden sind - kann für die FID-Collection erworben werden. Sollte Ihnen also einmal trotzdem ein Buch oder einen Artikel nicht zugänglich sein, können Sie Ihren Wunsch an uns schicken und wir erwerben den Titel für Sie.

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